Marktsituation hat erhebliche Auswirkungen auf städtische Bau-Projekte

0
40
Das Dortmunder Rathaus (tn).
Facebookrss

Die gute konjunkturelle Entwicklung der Bauwirtschaft führt in zunehmendem Maße zu deutlich spürbaren Preissteigerungen und hat – teils negative – Auswirkungen auf den Bereich der öffentlichen Ausschreibungs-/ Vergabeverfahren und damit verbunden auf den Terminrahmen öffentlicher Bauprojekte. Die Stadt Dortmund versucht, in dieser schwierigen Situation gegenzusteuern.

Generell lassen sich die Erfahrungen über alle Fachbereiche hinweg mit der aktuellen Marktsituation in der Bauwirtschaft in folgenden Eckpunkten skizzieren:

  • Die aktuelle Marktsituation lässt in den nächsten Jahren keine Entspannung erwarten.
  • Die Preiskurve geht kontinuierlich nach oben.
  • Der Planungs- und Bauablauf im Rahmen der Abwicklung der Baumaßnahmen wird gestört.
  • Terminverschiebungen im Rahmen der Abwicklung der Baumaßnahmen sind zu erwarten.
  • Kostensteigerungen im Rahmen der Abwicklung der Baumaßnahmen sind zu erwarten.
  • Die vergaberechtlichen Anforderungen sind durch den Fördermittelgeber vorgegeben und müssen eingehalten werden.
  • Der Handlungsdruck auf die kommunale Verwaltung wächst.
  • Der Handlungsspielraum für die kommunale Verwaltung ist eng begrenzt.

Allgemeine Entwicklung in der Bauwirtschaft

Im öffentlichen Sektor ist im Rahmen der guten konjunkturellen Entwicklung die Vielzahl von parallel laufenden Förder- und Kreditprogrammen zur Stärkung der kommunalen Infrastruktur ein wesentlicher Faktor für die Zunahme der Investitionen. Den Schwerpunkt bilden das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz Kapitel I und II („KIF“) und „Gute Schule 2020“. Allein in Nordrhein-Westfalen stehen den Kommunen im Zeitraum 2015-2023 insgesamt 4,5 Milliarden Euro zusätzliche Investitionsmittel zur Verfügung. Hiervon entfallen auf Dortmund rund 250 Millionen. Die positive konjunkturelle Entwicklung der Bauwirtschaft wird sich voraussichtlich fortsetzen. So erhöhte die Bauindustrie jüngst ihre Umsatzprognose von nominal 4 auf 6 Prozent. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes meldet volle Auftragsbücher. Bau- und Subunternehmer werden händeringend gesucht.

Preisentwicklung

Entsprechend stellt sich die Preisentwicklung im Bausektor dar: Laut des Wochenberichts 1+2/2018 vom 10. Oktober 2018 des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung e.V. wird die Steigerung der Investitionstätigkeiten der letzten Jahre und der anhaltende Trend der folgenden Jahre die Baupreise kontinuierlich und spürbar steigen lassen. Die dämpfenden Faktoren niedriger Energie- und Rohstoffpreise sind weggefallen, und auch die europäische Bauwirtschaft erholt sich zunehmend. Der daraus resultierende stärkere Preisanstieg zeigt sich bereits deutlich.

Beispiel Tiefbau: Dort hat aktuell der Landesbetrieb Straßen NRW die von ihm beauftragten planenden Ingenieurbüros angewiesen, die bislang geltenden Eckwerte generell um 20 – 30 Prozent zu erhöhen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die bis dato geltenden Eckwerte erst vor zehn Monaten definiert wurden. Der Preisauftrieb wird sich voraussichtlich angesichts der starken Nachfrage weiter fortsetzen und weitere Preissetzungsspielräume für Bauunternehmen eröffnen. Auch die Tariflohnsteigerungen werden angesichts der erreichten Auslastung der Betriebe im Baugewerbe deutlicher ausfallen als in den vergangenen Jahren. Gepaart mit den höheren Einkaufspreisen für Energie und Rohstoffe erzeugt dies einen weiteren Preisdruck.

Mangel an Fachkräften

In vielen Bereichen der Baubranche, sowohl im Handwerk als auch in den Ingenieurberufen, herrscht Fachkräftemangel, so dass die Firmen trotz anhaltend guter Konjunktur ihre personellen Kapazitäten nicht ohne weiteres aufstocken können. Das Problem des Fachkräftemangels trifft auch die öffentlichen Auftraggeber als Arbeitgeber ganz direkt: Auf dem Arbeitsmarkt sind Fachkräfte nur noch in einem eingeschränkten Maße verfügbar, so dass es zunehmend schwierig wird, entsprechende Stellen zu besetzen. Die Rekrutierung von Fachpersonal im öffentlichen Dienst ist angesichts der ungleichen Gehaltsstrukturen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst problematisch.

Rahmenbedingungen öffentlicher Ausschreibungs- und Vergabeverfahren

Zu einem wesentlichen Faktor wird angesichts der Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft für die Kommunen die Erreichbarkeit des Marktes im formalen Korsett des öffentlichen Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens. Dieses ist – insbesondere im Vergleich zu der Beauftragung durch private Auftraggeber – gerade bei den derzeit zu bearbeitenden Förderprogrammen KIF I und KIF II sehr komplex und bedeutet für die Firmen einen erheblichen Aufwand. Ebenso ergeben sich durch die Vorgaben der Förderprogramme bei der Durchführung der Vergabeverfahren erhöhte vergaberechtliche Anforderungen. Angesichts gut gefüllter Auftragsbücher und ausgelasteter Kapazitäten vermeiden die Firmen diesen Aufwand und zeigen somit mitunter kein Interesse an Aufträgen öffentlicher Auftraggeber.

Folgen für Bauprojekte der Stadt Dortmund: Zunehmend keine Angebote auf Ausschreibungen.

Die Stadt Dortmund stellt fest, dass auf eine zunehmende Zahl ihrer Ausschreibungen überhaupt kein Angebot eingeht, da die Firmen aufgrund ihrer guten Auslastung Aufträge aus der Privatwirtschaft, die nicht dem öffentlichen Vergaberechts unterliegen, gegenüber Aufträgen der öffentlichen Hand bevorzugen. Kommunen wie die Stadt Dortmund gelten für die Bauwirtschaft nicht als „attraktive“ Auftraggeberin.

So wurden in den letzten vier Jahren (2014 – 2017) jährlich etwa 100 Bauvergabeverfahren der Stadt Dortmund aufgehoben. Dabei hat die Zahl der Vergabeverfahren, die aufgehoben werden mussten, weil kein Angebot vorlag, signifikant zugenommen: Von 16 Verfahren (2014), über 38 (2015), 32 (2016) bis 55 Verfahren (2017).

Gestörter Bauablauf

Geht – wie geschehen – bei der Ausschreibung eines Gewerks kein Angebot ein, führt dies zu einer „Kettenreaktion“ im Termin- und Bauablauf. Eine erneute Ausschreibung eines Gewerkes führt durch die enge terminliche Taktung zur Verschiebung aller abhängigen Baugewerke. Auch das Risiko erhöhter Kosten bzw. von Nachträgen der abhängigen Gewerke steigt signifikant.

Angebote weit über Kostenvoranschlag

Sofern Angebote für die ausgeschriebene Leistung vorliegen, liegen diese nach den aktuellen Erfahrungen häufig deutlich über dem Kostenvoranschlag. Der Hochbau verzeichnet preisliche Schwankungen, die in Spitzen bis zu 50 Prozent über dem Leistungsverzeichnis liegen. In einigen Fällen liegt nicht nur ausschließlich ein einziges Angebot vor, sondern dies auch mit überhöhten Kosten. Diese Schwankungen wirken sich insbesondere in der Vergabe besonders kostenrelevanter Hauptgewerke aus.

Beispiele:

  • Neubau Reinoldi-Sekundarschule: Vergabe Rohbauarbeiten mit einer Kostensteigerung von 47 Prozent
  • Containeranlage Brechtener Grundschule: Vergabe Containeranlage mit einer Kostensteigerung von 30 Prozent

Im Tiefbau werden aktuell in einer Vielzahl von Projekten Ausschreibungsergebnisse erzielt, die zum Teil sogar die 50 Prozent-Linie überschreiten.

Beispiele:

  • Rahmenverträge Straßenunterhaltungs-, Grünunterhaltungs-, Pflanzarbeiten: Preissteigerungen von bis zu 65 Prozent
  • Neubau Straßen, Lichtsignalanlagen: Preissteigerungen bis zu 20 Prozent
  • Brandschutz Baulos 20 (Stadtbahnhaltestelle Hauptbahnhof): Preissteigerungen von bis zu 55 Prozent

Als Beispiel aus der Stadtentwässerung kann hier die Maßnahme „Kanalsanierung Dortmunder Feld, 1. BA“ angeführt werden. Für diese Maßnahme liegt das Angebot des Mindestbietenden 94,73 Prozent über der Kostenschätzung. Trotz öffentlichem Ausschreibungsverfahren wurden lediglich zwei Angebote eingereicht.

In allen diesen Fällen gilt es, eine Abwägung vorzunehmen zwischen der Aufhebung der Ausschreibung mit der Konsequenz der Terminverschiebung des betroffenen Gewerks sowie in der Folge Zeit und Kostenrisiken für das gesamte Bauprojekt einerseits und der Beauftragung des erhöhten Angebots mit der entsprechend höheren Belastung des Budgets andererseits.

Ingenieurbüros in Teilen überlastet

Die Auslastung der Bauwirtschaft macht sich nicht nur auf der produktiven Seite (Handwerk/Baugewerbe) bemerkbar, sondern ist bereits mit Beginn der Planung spürbar. Die gestiegenen technischen und gesetzlichen Anforderungen erfordern sowohl im Neubaubereich als auch bei Bestandssanierungen eine hochqualifizierte Architektur- und Ingenieurskunst. In diesen Berufen ist der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel deutlich spürbar. So sind die guten Architektur-/Ingenieurbüros oftmals ausgelastet und nehmen keine Aufträge mehr an. In einigen Gewerken (z.B. Elektro-Fachplanungen) sind zum Teil mehrere Anfragen notwendig, bevor eine Beauftragung erfolgen kann.

Auch führt die Aus-/Überlastung der Architektur- und Ingenieurbüros dazu, dass auch im Bereich der Planung Terminverzüge durch eine verspätete Vorlage der einzelnen Planungsergebnisse entstehen können. Kommt es in der Planungsphase auf Grund der Aus-/ Überlastung zu Planungsfehlern, treten diese zum Teil erst in der Baudurchführung zutage und führen hier zu Verzögerungen im Bauablauf bzw. zu Nachträgen und entsprechenden Kostensteigerungen/Budgetüberschreitungen/Nachträgen.

Störungen im Bauablauf – Fehlendes Material

In einigen Branchen fehlt nicht nur das Personal, sondern auch das Baumaterial. In den letzten Monaten ist festzustellen, dass vor allem Bodenmaterialien und Dämmstoffe auf dem Markt knapp werden. Für Baustellen ohne Material führt das zu Stillstandzeiten. Vor allem im Tiefbau gibt es vermehrt Engpässe: Schotter, Splitt oder Kies steht nicht rechtzeitig zur Verfügung, da die Steinbrüche ihre Kunden nicht fristgerecht beliefern können. Ähnliche Verhältnisse gab es bereits bei der Durchführung des Konjunkturprogramms in den Jahren 2009 – 2011, in denen z. B. die Stahllieferungen knapp wurden. Es ist zunehmend zu beobachten, dass Firmen offenbar Aufträge am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen annehmen. So stellt der Bereich Stadtgrün etwa fest, dass sich dort aufgrund der sehr guten Auslastung der Firmen die Lieferzeiten bei Spielgeräten auf bis zu 20 Wochen verlängern.

Verwaltung steuert gegen

In der bestehenden Marktsituation sind die Handlungsmöglichkeiten der Kommune sehr begrenzt. Um die örtlichen Handwerker für die anstehenden Aufgaben zur Umsetzung von bereitstehenden Fördermitteln zu mobilisieren, wurde von der Kreishandwerkerschaft Dortmund-Lünen gemeinsam mit der Städtischen Immobilienwirtschaft und dem Vergabe- und Beschaffungszentrum der Stadt eine Informationsveranstaltung durchgeführt. Neben der Information über die Investitionen wurden die Handwerker aufgerufen, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen und auf die Hilfestellungen bei der Bewältigung der Formalitäten hingewiesen.

Baubeginn mit längerer Frist

Im Garten- und Landschaftsbau werden bei Ausschreibungen mit einem (nach bisherigem Standard) geforderten Baubeginn von zwölf Werktagen nach Auftragserteilung kaum noch Angebote abgegeben. Um dieser „Zwangslage“ zu entgegnen, ist die Verwaltung dazu übergegangen, zukünftig den Baubeginn – je nach Eigenart des Projektes – mit einer längeren Frist zu vereinbaren. Dadurch erhofft sich die Verwaltung eine größere Flexibilität bei den Firmen und entsprechend wieder mehr Teilnehmer am Wettbewerb.

Verschiebungen zwischen Konjunkturprogrammen

Große Kapazitäten innerhalb der Verwaltung binden die finanztechnischen Steuerungsmaßnahmen, insbesondere im Rahmen der bestehenden Förderprogramme „KIF I“, „KIF II“ und dem Kreditprogramm „Gute Schule 2020“. Es muss sichergestellt werden, dass die verfügbaren Fördermittel umfänglich abgerufen werden, die Maßnahmen im Förderzeitraum planmäßig umgesetzt werden und gleichzeitig eine zusätzliche Belastung für den Haushalt vermieden wird. Angesichts der derzeit absehbaren Verteuerung und zeitlichen Verschiebung vieler Bauprojekte aufgrund der verzeichneten Ausschreibungsergebnisse, wurden einzelne Maßnahmen zwischen den drei Programmen getauscht, um die bereitgestellten Mittel aus allen Programmen in voller Höhe in Anspruch nehmen zu können. Das wird auch in der Zukunft weiter praktiziert.

Quelle: Stadt Dortmund

 

Facebookrss