„Favoriten“-Festival präsentiert Theater-Kunst der freien Szene in NRW

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Eine Choreografie aus „YouTube“-Tutorials und Töne, die man sehen kann – innovativ und gesellschaftskritisch feiert das Theater-Festival „Favoriten“ die freie Künstlerszene in Nordrhein-Westfalen. Vom 6. bis 16. September 2018 bringt es zeitgenössischen Tanz, Theater, Musik, Performancekunst und Zirkus an verschiedene Orte im Dortmunder Norden.

Claudia Bosse und das Theaterkombinat aus Wien führen „Poems of the Daily Madness“ in der Zeche Friedlicher Nachbar in Bochum.
Bild: Eva Wuerdinger

Alle zwei Jahre lädt die freie Szene mit dem Festival „Favoriten“ nach Dortmund ein, um ästhetisch innovative Arbeiten und Fragestellungen und Ausdrucksformen zu präsentieren. Das Festivalprogramm zeigt mit 18 künstlerische Arbeiten aus zeitgenössischem Zirkus, Oper, Performance, Tanz, Theater und neuer Musik, die Lust am Experiment. Das Festival ist 2018 inmitten des Dortmunder Nordens zu Gast – und tritt mitunter dort auf, wo Theater nicht schon als solches vorgegeben ist. Festivalzentrum ist das Depot in der Immermannstraße – ehemalige Straßenbahnhauptwerkstatt und heute mit dem Theater im Depot ein wichtiger Kulturort der freien Szene in Dortmund. Weitere Spielorte sind unter anderem die alte Schmiede in Huckarde, das Dietrich-Keuning-Haus, der Club Rekorder in der Gneisenaustraße und die Werkhalle des Union Gewerbehofs. Einen Ausflug in die Nachbarstadt Bochum macht das Festival mit der Aufführung „Poems of the Daily Madness“: Es geht in die Maschinenhalle der Zeche Friedlicher Nachbar.

Programm hinterfragt die Grenzen des Theaters

Viel lässt sich entdecken bei der diesjährigen Ausgabe: Es gibt Arbeiten, die sich ohne weiteres genauso als Film wie als Performance, als Installation wie als Poesie, als Bühnenaufführung wie als familiäres Beisammensein, als Oper wie als Raumchoreographie bezeichnen lassen. Denn im freien Theater unbedingt mitzudenken bleiben: ästhetische Beunruhigungen, thematische Störungen, unterbrochene Blickachsen und das Infragestellen der Rahmung einer Aufführung. Nach der Auseinandersetzung mit 234 Produktionen der vielfältigen freien Szene in Nordrhein-Westfalen ist im intensiven Dialog zwischen den beiden künstlerischen Leiterinnen Fanti Baum und Olivia Ebert und dem künstlerischen Beirat ein Programm aus 18 künstlerischen Arbeiten entstanden, das starke Positionen aus der NRW-Szene mit lokalen und überregionalen Kooperationen kombiniert.

18 künstlerische Arbeiten

Das Favoriten Festival versammelt künstlerische Arbeiten, die sich in einem Spannungsfeld zwischen ästhetischem Experiment und politischer Relevanz bewegen. Politisch sind hier nicht immer die Themensetzungen, sondern auch die ästhetischen Entscheidungen.

Das kamerunische Theater „Othni“und das „Kainkollektiv“ setzen zur Oper(ation) am Herzstück europäischer Kultur an: In der Begegnung unterschiedlicher Musiktraditionen entsteht eine Theaterarbeit über das „Gedächtnis der Sklaverei“.
Bild: Stephan Glagla

Mit einer magischen Verschiebung unserer Wahrnehmung lädt die performative Installation „Voicing Pieces“ von Begüm Erciyas ein, das Fremde bei uns selbst zu suchen. „Within“ von Tarek Atoui fragt hingegen, wie wir ohne Gehör wahrnehmen. Ein neu gebautes Instrument und ein Konzert lassen uns Töne mit allen Sinnen erfahren. Die Arbeit „A Concert / Ein Konzert“ choreographiert Klang und komponiert Bewegung.

Erstmalige Kooperation zwischen „Ruhrtriennale“ und „Favoriten“ 

Die vibrierenden und zitternden Körper in „Unlikely Creatures II we dance for you“ verweisen in einer Collage aus Tanz, Text, und Sound auf gegenwärtige physische Zustände der Überforderung durch Politik und Populismus. In dem Stück „Surround“ wird die Bühne zum Erfahrungsraum über die Geometrie der Demokratie. Ein- und Ausschlüsse thematisiert auch Schorsch Kamerun mit seinem Stadtprojekt „Nordstadt Phantasien“ im Rahmen der erstmaligen Kooperation zwischen „Ruhrtriennale“ und „Favoriten Festival“.

Choreografie aus „YouTube“- und „Instagram“-Posen

Wie verständigen wir uns im gesellschaftlichen und privaten Raum überhaupt? Während Anna-Lena Klapdors Arbeit mit Studierenden der Ruhr-Universität Bochum Feldpost aus dem Zweiten Weltkrieg mit heutigen Kurznachrichten in einem gemeinsamen Raum konfrontiert, performt Frank Willens in „Sonderbare Irre von SEE!“ eine Choreographie der Posen aus „YouTube Tutorials“ und „Instagram Stories“.

Musiker aus NRW spielen Lieder von Oum Kalthoum

Das Bochumer „kainkollektiv“ und die Gruppe „Othni“ aus Kamerun irritieren mit ihrem Stück den europäischen Blick auf die Entwicklung westlicher Hochkultur. Um die Sichtbarkeit eines nicht-materiellen außereuropäischen Kulturerbes, das mit den Menschen, die es leben aber längst in deutschen Städten angekommen ist, geht es beim Konzert-Projekt „Diva: Celebrating Oum Kalthoum“. Dazu „Favoriten“ lädt in Koproduktion mit dem FFT Düsseldorf den Theaterregisseur Ariel Efraim Ashbel ein, ein Orchester mit Musikern aus NRW zusammenstellen, um die Lieder der ägyptischen Legende Oum Kalthoum mit Konzerten in Düsseldorf und Dortmund zu feiern. Das Stück „Die Ausgrabung“ wendet sich hingegen materiellen Artefakten zu und fragt: Wer gräbt überhaupt unsere Kultur aus? Weitere Arbeiten setzen sich mit verschiedenen Themen wie der europäischen und deutschen Identität, den 1990er Jahren oder Musik von Céline Dion auseinander.

Die zitternden Körper des Ensembles „Billinger & Schulz“ verweisen in einer Collage aus Tanz, Text und Sound auf gegenwärtige physische Zustände der Überforderung durch Politik und Populismus.
Bild: Florian Krau

Projektunabhängige Förderung für freie Künstler

Das „Favoriten“-Festival blickt auf eine langjährige Geschichte der Förderung freier Theaterarbeit in NRW zurück. Zusammen mit dem „NRW Kultursekreatiat Wuppertal“ lobt das Festival den Preis „Ground Support“ an. Diese projektunabhängige Grundunterstützung – Preisgelder in Höhe von jeweils bis zu 10.000 Euro – erhalten vier Künstler oder Künstlergruppen, die an dem Festival beteiligt sind.

Residenzkünstler setzen sich mit Werk Union auseinander

Schon seit Juni arbeiten in der Werkhalle des Union Gewerbehofs arbeiten die ersten Residenzkünstler. Sie setzen sich im Rahmen des Residenzprogrammes „Work at Werk Union“, das die „Dortmunder Initiative“ und „die Urbanisten e.V.“ gemeinsam ausgerufen haben, mit der Geschichte des Geländes und der ehemaligen Arbeiter auseinander.

Schnittstelle von Kunst, Kulturtheorie und Gesellschaftspolitik

„Favoriten“ ist das Festival der frei produzierenden darstellenden Künste Nordrhein-Westfalens. Alle zwei Jahre lädt die freie Szene nach Dortmund ein. Das Festival präsentiert sich an der Schnittstelle von Kunst, Kulturtheorie und Gesellschaftspolitik – den Fokus stets auf Kunstschaffenden, die mit ihren thematischen Setzungen für eigenständige ästhetische Konzepte stehen und mit der Entwicklung innovativer Formen aktuellen gesellschaftlichen Prozessen Ausdruck verleihen.

Träger des Festivals sind das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste e.V. sowie das Kulturbüro der Stadt Dortmund. „Favoriten“ 2018 wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft Landes Nordrhein-Westfalen, die Kunststiftung NRW, die Stadt Dortmund und das NRW Kultursekretariat Wuppertal.

Das komplette Programm ist zu sehen auf der Webseite des Festivals. Außerdem erscheint dort bis zum Start des Festivals monatlich das Festival-Magazin „Space“, das im gemeinschaftlichen Austausch zwischen Festival-Team und den Künstlern entsteht. „Space“ featured künstlerische Arbeiten, Texte und Arbeitsweisen aus dem Festivalprogramm und darüber hinaus.

„Favoriten“-Festival

Quelle: Stadt Dortmund

 

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