Stadt beginnt mit Rückbau des Hochhauses an der Kielstraße 26

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In der Nordstadt offenbart sich unübersehbar, dass die Tage des Hochhauses in der Kielstraße 26 gezählt sind: Das 18-stöckige Hochhaus wird nach vielen Jahren des Leerstands abgerissen und macht Platz für Neues

„Das ist ein sehr schöner Termin heute, der eine tolle Perspektive für die Nordstadt bietet“, freute sich die Leiterin der Stadterneuerung, Susanne Linnebach, angesichts der „Problemimmobilie“, die schon bald keine mehr sein wird. Handwerker*innen haben inzwischen damit begonnen, das Haus Kielstraße 26 einzurüsten – auch der Baustellenplatz ist eingerichtet. Der Anblick des Gebäudes wird sich in den nächsten Monaten ständig verändern.

Stadt kaufte Hochhaus vor zwei Jahren

Im Jahr 2016 hatte sich die Stadt Dortmund das Ziel gesetzt, die 102 Wohnungen des stark verwahrlosten und leer stehenden Hochhauses zu erwerben und das Gebäude abzureißen, um eine öffentliche Folgenutzung an dieser Stelle zu ermöglichen. Der Ankauf der letzten Wohnung erfolgte 2019. Anschließend begannen umgehend die Planungen für den Abbruch des Gebäudes. Nach Ausschreibung und Beauftragung der Abbrucharbeiten konnten die Vorarbeiten im Januar starten. Ziel ist es, den Abbruch bereits im Herbst dieses Jahres zu vollenden.

Wie läuft der Abbruch des Hauses ab?

Das Gebäude hat eine Höhe von insgesamt 52,25 Metern. Im südlichen Bereich schließt eine Tiefgarage an, die erhalten und im Anschluss des Abbruchs brandschutztechnisch modernisiert werden soll.

Im Osten und Westen des Hochhauses grenzt mit jeweils acht Metern Abstand eine drei- bis viergeschossige Wohnriegelbebauung an, die bewohnt ist und ebenfalls bestehen bleiben wird. Diese besondere Situation an der Kielstraße 26 sorgt für einen größeren Aufwand bei den Abbrucharbeiten, denn so nah an einer benachbarten Wohnbebauung ist keine Sprengung möglich. Der Rückbau des Gebäudes erfolgt daher teils aufwändig Etage für Etage mit moderner Technik. Das Unternehmen „AWR Abbruch“ führt den Auftrag aus. Die Bauüberwachung und Bauleitung obliegt dem Ingenieurbüro „GeoExperts“ gemeinsam mit der Städtischen Immobilienwirtschaft.

Zu den vorbereitenden Maßnahmen gehörten unter anderem das Umlegen der Trafostation (DONETZ, Dortmunder Netz GmbH) sowie die Durchführung von Verkehrssicherungsmaßnahmen, eine Änderung der Verkehrsführung für die gesamte Dauer der Baustelle und Baumfällarbeiten. Diese Vorarbeiten konnten Ende Januar beendet werden. Auch die Baustelleninfrastruktur ist inzwischen aufgebaut.

Die eigentlichen Abbrucharbeiten gliedern sich in vier verschiedene Phasen.

Phase 1: Baustelleneinrichtung, Beginn Schadstoffrückbau und Entkernung

Container für den Bauschutt werden aufgestellt, im Inneren des Gebäudes werden nicht-tragende Gebäudeteile und schadstoffhaltige Elemente entfernt. Diese Phase hat bereits begonnen. So sind bereits acht Wohnungen schadstoffsaniert, weitere zwölf werden in Kürze folgen. „Die schadstoffhaltigen Teile werden über eine spezielle Materialschleuse abtransportiert, für die dort arbeitenden Kollegen gibt es eine Extraschleuse“, erklärt Manfred Vogl, Schadstoffpolier bei AWR Abbruch: „Diese sogenannte 4-Kammern-Personalschleuse sorgt dafür, dass die Kollegen keine Schadstoff-Stäube nach außen tragen.“ Mit dem Aufbau des Gerüstes kündigt sich aktuell bereits die Phase 2 an.

Phase 2: Rückbau der vorgehängten Fassadenplatten

Nach der vollständigen Einrüstung des Gebäudes werden Transportbefestigungen an den Fassadenplatten angebracht und die mit der Betondecke vergossenen Auflagerkonsolen ausgebohrt. Danach werden die Fassadenplatten schrittweise mit dem Kran abgelassen. Das Gerüst wird mit dem Rückbau der Fassade ebenfalls sukzessive rückgebaut.

Phase 3: Abbruch des Gebäudes 18. bis ca. 9. Obergeschoss

Der Abbruch der Geschosse vom 18. bis zum 9. Obergeschoss erfolgt im Innenbereich mit dem kontrollierten Absturz der Bauteile nach unten. Für den Abbruch der Innenwände und der Geschossdecken werden Kleingeräte zum Einsatz kommen. Der anfallende Bauschutt wird über den Aufzugsschacht unter ständigem Nässen abgeworfen.

Um die Auflast der Minibagger tragen zu können werden mehrere Geschosse unter dem jeweiligen Abbruchgeschoss gem. Abstützstatik mittels Schwerlaststützen durchgestützt. Die Abstützung wird während des Abbruchs sukzessive nach unten versetzt. Die Außenwände der Ost- und Westseite (direkt gegenüber der flankierenden Wohnhäuser) werden durch Zersägen der Stahlbetonwände in abhebbare Einzelteile unter Sicherung des Bauteils durch Anschlagen und das Abheben über den Turmdrehkran (wie bei dem Verfahren der Fassadenplatten) demontiert.

Phase 4: Abbruch des Gebäudes ab ca. 8. Obergeschoss bis Untergeschoss

Die Geschosse ab etwa 25 Metern über Geländeoberkante sowie das Untergeschoss werden durch einen Hydraulikbagger mit einem weiten Ausleger (Longfront) und emissionsarmen Abbruchwerkzeugen (Abbruchzange als Beispiel) rückgebaut. Zur Sicherung der angrenzenden Wohnhäuser wird ein schwerer Abbruchvorhang die gegebenenfalls beim Schneiden abplatzenden Teile zurückhalten.

Während der Abbrucharbeiten werden einzelne der umliegenden Gebäude von der DEW21 über mobile Heizzentralen beheizt. Im Nachgang der Abbruchmaßnahme werden die Fernwärmeleitungen dann umgelegt und die betreffenden Gebäude wieder per Fernwärme beheizt.

 

Der Abriss der Problemimmobilie – ein komplexes Großprojekt

Das seit 2002 leer stehende Gebäude für die Nordstadt verwahrloste Tag für Tag mehr und galt daher lange als „Problemimmobilie“. Um den verantwortungslosen Umgang mit der Immobilie zu beenden und die negativen Auswirkungen für das Umfeld aufhalten zu können, hat die Stadt lange daran gearbeitet, alle Wohnungen im Hochhaus zu erwerben und das Gebäude abzureißen. Der Ankauf der Wohnungen mithilfe von Fördergeldern war von vorn herein mit der Perspektive eines Rückbaus verknüpft. Die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche bei der Stadtverwaltung ist hierfür wichtig und funktioniert gut: Das Amt für Stadterneuerung ist federführend für den Erwerb der Wohnungen, die Fördermittelbeschaffung und die Nachnutzung zuständig, die Städtische Immobilienwirtschaft für die Organisation und Überwachung des Abrisses des Hochhauses. Je nach Folgenutzung auf dem Grundstück werden weitere Fachbereiche wie das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt und das Liegenschaftsamt einbezogen.

Abbrucharbeiten dauern bis Herbst 2021 an

„Für die beteiligten Kolleg*innen war die Vorbereitung der Abbrucharbeiten keine alltägliche Aufgabe“, so Andreas Grosse-Holz, Leiter des Fachbereichs Städtische Immobilienwirtschaft, über die Arbeit seines Teams. „Ein Abriss, noch dazu in dieser Lage und Größenordnung, stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Daher bin ich erfreut, dass wir unser selbstgestecktes Zeitziel erreicht haben und pünktlich mit dem Abbruch beginnen können.“ Mit der Fertigstellung des Rückbaus inklusive der Wiederherrichtung des Geländes ist planmäßig mit Herbst 2021 zu rechnen.

Auch Susanne Linnebach zeigt sich erleichtert über den Abriss des Hochhauses: „Mit dem Abbruch des weithin sichtbaren Schandflecks wird ein wichtiger Impuls für die Nordstadt gesetzt. Bebaubarer Grund ist hier rar, jetzt entsteht hier eine gute und exklusive Fläche“, so Linnebach. Und sie ergänzt: „Eine solche ‚Immobilie‘ zieht die ganze Umgebung runter, für Menschen, die hier hinziehen oder Eigentum erwerben möchten, ist das natürlich keine positive Werbung“. Umso schöner sei es, „dass wir beim Rückbau im angekündigten Zeitplan liegen und nun Platz für einen Neuanfang für das Quartier rund um die Kielstraße schaffen.“

Tageseinrichtung für Kinder denkbar

Auf die Frage, wie es mit dem Areal anschließend weitergeht, kann sie derzeit noch keine verbindliche Antwort geben: „Aufgrund der Finanzmittel aus der Städtebauförderung, die den Erwerb und den Abbruch der Immobilie erst ermöglicht haben, wird es sich um eine öffentliche Folgenutzung handeln müssen. Eine Tageseinrichtung für Kinder ist beispielsweise denkbar. Es gilt aber noch einige Fragen zu klären.“

Tageseinrichtung für Kinder denkbar

Auf die Frage, wie es mit dem Areal anschließend weitergeht, kann sie derzeit noch keine verbindliche Antwort geben: „Aufgrund der Finanzmittel aus der Städtebauförderung, die den Erwerb und den Abbruch der Immobilie erst ermöglicht haben, wird es sich um eine öffentliche Folgenutzung handeln müssen. Eine Tageseinrichtung für Kinder ist beispielsweise denkbar. Es gilt aber noch einige Fragen zu klären.“

Die Beseitigung der Problemimmobilie Kielstraße 26 wird durch Zuwendungen des Landes und des Bundes in Höhe von rund 3 Millionen Euro (80 Prozent) gefördert. Der städtische Eigenanteil beträgt rund 600.000 Euro.

Hintergrund: Problemimmobilie in zentraler Lage

Nach zwei Jahren Bauzeit wird das Hochhaus an der Kielstraße 26 im Jahr 1969 erstmals bezogen, damals im Eigentum eines Wohnungsunternehmens. Mit seinen 16 bis 18 Stockwerken prägt es die Silhouette der Dortmunder Nordstadt. Nach mehreren Verkäufen erfolgte die Teilung der 102 Wohneinheiten in Eigentumswohnungen. Bis 1993 blieben sie in „einer Hand“, dann wurden sie an insgesamt 44 Einzeleigentümer*innen bzw. kleine Eigentümer*innengemeinschaften aus dem süddeutschen Raum als Kapitalanlagen zu unverhältnismäßig hohen Preisen verkauft.

Schon damals waren die Wohnungen sanierungsbedürftig, erklärt Susanne Linnebach. „Viele der Käufer*innen sahen den Kauf als Investition in ihre Rente, die Kosten sind ihnen dann aber über den Kopf gewachsen. Insofern“, blickt Linnebach zurück, „war das Engagement der Stadt ein Befreiungsschlag – die Menschen kamen aus den Schulden raus.“ 2002 wurde das Gebäude aufgrund erheblicher baulicher Mängel für unbewohnbar erklärt und verschlossen. Seither stand das Haus vollständig leer.

Chronik im Überblick

  • 1969 Erstbezug nach etwa zweijähriger Bauzeit.
  • Anfang der 90er Jahre wurde das Hochhaus von der vormaligen Eigentümerin verkauft und anschließend vollständig in Eigentumswohnungen aufgeteilt, zunächst Eigentum „in einer Hand“.
  • 1993 wurden die 102 Wohneinheiten an insgesamt 44 Einzeleigentümer*innen bzw. kleine Eigentümer*innengemeinschaften aus dem süddeutschen Raum als Kapitalanlagen verkauft.
  • Die Verkaufspreise standen in keinem ausgewogenen Verhältnis zu der in Teilbereichen modernisierungsbedürftigen Immobilie.
  • Erforderliche Modernisierungs-, Reparatur- und Wartungsaufträge an der Immobilie konnten von der Wohnungseigentümer*innengemeinschaft aufgrund von teils erheblichen Zahlungsausständen nicht ausgeführt werden.
  • Im November 2001 legte die Hausverwaltung ihr Mandat nieder.
  • Im April 2002 wurde die Heizungs- und Warmwasserversorgung eingestellt. Der drastische Qualitätsverlust und die angekündigte Unterbrechung der Stromversorgung führten zu einem sukzessiven Leerzug der gesamten Immobilie.
  • Am 21. November 2002 wurde das Hochhaus von der Stadt Dortmund im Rahmen einer bauordnungsbehördlichen Sicherungsmaßnahme geschlossen.

Bisherige Projektmeilensteine

  • Dezember 2007: Abschluss der Machbarkeitsstudie
  • März 2009: Ratsbeschluss für die Vorbereitung des Eigentumserwerbs
  • 2009 – 2011: Vorbereitung des Ankaufs; anschließend Ausschreibung und Beauftragung der Koordinations- und Regiestelle
  • Dezember 2012: Ratsbeschluss über die Festlegung eines Stadtumbaugebietes
  • Januar 2013: Tätigkeitsaufnahme der Koordinations- und Regiestelle
  • Oktober 2015: Ratsbeschluss zum Erwerb der Eigentumswohnungen
  • Dezember 2015: Vertragsabschluss für den Ankauf der ersten Wohneinheiten
  • 2016 – 2017: Ankauf von 98 Wohneinheiten
  • Ende Mai 2019: Ankauf der letzten Wohnung
  • 2019: Entsorgung von mehr als 80 Tonnen Sperrmüll aus dem Gebäude
  • 2020: Abbruchbeschluss und Ausschreibung Bauleistungen (Abbruch)
  • Frühjahr 2021: Beginn der Abbrucharbeiten

    Quelle: Stadt Dortmund

    Bilder: Dortmund Agentur/ Roland Gorecki und Stadt Dortmund

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