Einzigartiger Fund in Dortmund: Archäolog*innen legen alten Weg aus dem Mittelalter frei

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Bei Bauarbeiten in der Dortmunder City kommen nicht selten archäologische Funde ans Licht. Eine Entdeckung ist jedoch einzigartig: 1,80 Meter unter dem heutigen Ostwall führte im Mittelalter ein Weg entlang, der womöglich älter als das Ostentor ist. Über ihn kamen Waren auf Ochsenkarren in die Stadt.

Nicht aus festgestampftem Lehm oder einem Steinpflaster besteht der älteste bekannte Weg, über den die Bürger*innen der Stadt, Händler*innen oder auch Reisende von Osten kommend in das hochmittelalterliche Dortmund gelangten. Sondern aus Eichenhölzern. Das haben aktuelle Ausgrabungen ans Licht gebracht. Der entsprechende Bohlenweg am Ostentor ist sehr gut erhalten; Archäolog*innen konnten ihn bei der Fortsetzung der Schachtarbeiten für das neue Fernwärmenetz der DEW21 auf einer Fläche von circa acht Quadratmetern freilegen und dokumentieren.

Weg machte schlammigen Boden befahrbar

„Ein Bohlenweg ist eine Befestigung aus unterschiedlichen Hölzern, die mittels Flussgeröll verkeilt sind. Sie dienten dazu, schlammige oder moorige Wege so abzusichern, dass man sie mit schwer beladenen Ochsenkarren gefahrlos passieren konnte. Hier wurden die Hölzer quer zur Fahrtrichtung verlegt“, erklärt Stadtarchäologe Ingmar Luther. So reduzierte sich das Risiko, dass die Karren durch ihr Gewicht die Hölzer auseinander schoben und die Räder sich zwischen den einzelnen „Bohlen“ verkeilten.

„Wir haben einen solchen Bohlenweg in Dortmund bisher nur an dieser Stelle gefunden, daher ist der Fund auch so einmalig. Wenige Meter weiter, Richtung Kaiserstraße, war der Boden nicht mehr so nass, dort hat man eher auf Kiesel zurückgegriffen. Grundsätzlich waren mittelalterliche Wegetrassen eher unbefestigt. Es ist aber durchaus denkbar, dass sich dieser Bohlenweg in Richtung Innenstadt fortsetzt“, erklärt Luther.

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Archäolog*innen ein kleines Teilstück des Weges freigelegt. Schon damals wurde aufgrund der Lage des Fundes „innerhalb“ des mittelalterlichen Ostentores und wegen der auffälligen Tiefe (etwa 1,80 Meter unter der Fahrbahn) diskutiert, dass es sich womöglich um einen älteren Weg handeln könne.

Proben gingen an Labor in Miami

Da die These zu diesem Zeitpunkt nicht durch archäologische Funde in Form von etwa Gefäßscherben oder Münzen gestützt werden konnte, ließ die Stadtarchäologie im Zuge der Ausgrabung Holzproben für naturwissenschaftliche Untersuchungen bergen. Die Hoffnung, über eine Auswertung der Jahresringe des Holzes auf das Fälldatum schließen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Denn keine der Proben lieferte die erforderliche Mindestanzahl an Jahresringen, um eine sichere Aussage zum Alter der Hölzer treffen zu können. Um dennoch eine Datierung des Bohlenweges vornehmen zu können, wurden die Proben in ein Labor nach Miami geschickt, um dort mittels der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung das Holzalter bestimmen zu lassen.

Das Ergebnis ist eine Sensation und bestätigt die Vermutung der Fachleute: Der Eichenbohlenweg wurde aus Hölzern errichtet, die im Zeitraum von 1116 bis 1219 n. Chr. gefällt wurden bzw. mit einer Wahrscheinlichkeit von 34,9 Prozent sogar aus einer Zeit zwischen 1042 bis 1108 n. Chr. stammen.

Weg womöglich älter als Ostentor

Damit ist dieser archäologische Fund älter als alle bisher bekannten (Hell-)Wegtrassen im Bereich des Ostentores und auch womöglich älter als das Ostentor selbst. Denn erst 1255/56 findet das Ostentor in einer historischen Quelle eine erste Erwähnung. Bis zu jetzigem Zeitpunkt ist nicht geklärt, wie lange die Torburg vor diesem Datum bereits bestand und welche Größe diese dann besaß. Sicherlich wird die Toranlage in einer älteren „Ausbaustufe“ nicht den Ausmaßen des uns bekannten, knapp 50 Meter langen Tores entsprochen haben. Naheliegend ist daher, dass der Bohlenweg im Zusammenhang mit einem älteren und kleineren Torwerk steht oder aber in eine Phase des hochmittelalterlichen Dortmund gehört, in der die Stadt etwa nur durch eine einfache Wall-Graben-Struktur geschützt war.

Holz-Upcycling im Mittelalter

„Aus dem Fälldatum lässt sich allerdings nicht ableiten, wann die Hölzer in den Boden kamen“, erklärt Stadtarchäologe Ingmar Luther. „Dazu werden noch weitere Bodenproben untersucht, um etwa Rückschlüsse über die damals transportierten Ladungen zu bekommen.“ Ging ein Teil der Ladung eines Ochsenkarrens beim Transport über Bord, so würden sich daraus Schlüsse ziehen lassen. Spuren zeigen, dass für die bis zu 1,90 Meter langen Hölzer damals kosten- und ressourcensparend auf altes Bauholz zurückgegriffen – und so „Upcycling“ betrieben wurde.

Was für eine Stadt war Dortmund in der Zeit, in der der Bohlenweg bestand? „Im 10. und 12. Jahrhundert bestand bereits eine gut funktionierende Wirtschafts- und Handelsstruktur zwischen den einzelnen Städten. Handel wurde über den Hellweg Jahrtausende betrieben. Das ist sicher auch ein Grund, warum Dortmund nicht an einem Gewässer entstanden ist, sondern strategisch sinnvoll an der Kreuzung von zwei Handelswegen“, erklärt Luther.

Holz und Geröll wird geborgen und konserviert

Nun drängt die Zeit, denn jede Stunde, die das alte Holz an der Luft verbringt, sorgt für irreparable Schäden. Trotz der intensiven Auslotung aller möglichen Alternativen ist der Erhalt dieses einzigartigen Bodendenkmals unter der Erde nicht möglich. Deshalb hat die Stadtarchäologie gemeinsam mit der DEW21 die Bergung und Konservierung des Bohlenweges initiiert. Archäolog*innen werden die Konstruktion vorsichtig in ihre Einzelteile zerlegen. Steine und Holzelemente werden zunächst durchnummeriert und aufwendig vermessen. „Dabei gilt es, äußerst vorsichtig vorzugehen, denn, im Gegensatz zu zum Beispiel Steinmauern, ist altes Holz sehr sensibel“, erläutert Ingmar Luther.

Anschließend werden die Hölzer sicher verpackt und zur Konservierung in das Museum für Archäologie Schloss Gottorf in Schleswig gebracht. Dort verbleiben sie für fünf bis sieben Jahren in einem Konservierungsbad mit Polyethylengykol (PEG). Im Nachgang erfolgt eine Vakuum-Gefriertrocknung.

Bohlenweg soll zurück nach Dortmund kommen

„Als Ergebnis haben wir dann hoffentlich für die nächsten 200 bis 300 Jahre erhaltene und ausstellungswürdige Hözer, die wir dann in Dortmund zusammen mit den Steinen rekonstruieren, so dass wir sie dann in einigen Jahren der Bevölkerung in einem Museum präsentieren können“, so Luther. Denkbar wäre, dass die Besucher*innen des Museums für Kunst und Kulturgeschichte eines Tages über den von einer Glasscheibe geschützten Bohlenweg in die Ausstellung zum historischen Dortmund gelangen.

Es habe sich bewährt, „alle Baumaßnahmen archäologisch begleiten zu lassen“, so Marcel Wegener von DEW21. Entsprechend hätten sich die Baufirmen darauf eingestellt, wie mit solchen Funden umzugehen sei.

Quelle: Statd Dortmund

Bilder: Dortmund Agentur/Elena Hesterkamp

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