Im Dortmunder Hafen gehen Wirtschaft und Urbanität Hand in Hand

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Dortmunder Hafen in Richtung Osten fotografiert Bild: Dortmunder Hafen AG / Blossey
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119 Jahre hat der Dortmunder Hafen auf dem Buckel und ist so jung und frisch wie nie. Der Dortmunder Hafen ist wie die Stadt selbst: bunt! Hier treffen sich Sportbootfahrer am Wasserwanderrastplatz. Das Alte Hafenamt ist Hüter von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Hafens, Touristen legen mit dem Fahrgastschiff Santa Monika ab. Last but not least ist der Dortmunder Hafen Europas größter Kanalhafen, urbanes Logistikzentrum, Industriegebiet und Arbeitsplatz für 5.000 Beschäftigte in 160 Unternehmen.

Hafen-Vorstand Uwe Büscher auf der Speicherstraße
Bild: Dortmund-Agentur / Roland Gorecki

Herr über den Hafen ist Uwe Büscher. Als junger Mann hat er selbst noch Untertage als Bergmann im Steinkohlenbergbau gearbeitet, später dann einen kaufmännischen Beruf ergriffen. Im Anschluss führte ihn sein Werdegang unter anderem zur Dortmunder Stadtverwaltung und der städtischen Beteiligungsverwaltung. Seit dem 1. September 2012 nun ist Uwe Büscher Vorstand der Dortmunder Hafen AG.

Der Dortmunder Hafen hat sich vom Wasserbahnhof der Montanindustrie zum modernen Logistikstandort entwickelt. Etwa 2.000 beladene Schiffe passieren pro Jahr den Hafen. Umgeschlagen wird dabei alles, was in einen Container passt. Genauso vielfältig sind die Destinationen, darunter Asien und Osteuropa. Dortmund ist als Verteilstandort Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Welt.

Uwe Büschers Interesse gilt vor allem der stetigen Fortentwicklung und auch einer weiteren Öffnung des Hafens. Ein sichtbares Zeichen: Die Speicherstraße – nördlich wie südlich – befindet sich städteplanerisch und architektonisch in einem gewaltigen Wandel. Was darüber hinaus genau in seinem Revier passiert und welche Bedeutung der Hafen gesamtstädtisch hat, erzählte der Vorstandsvorsitzende in einem Gespräch mit der Dortmund-Redaktion.

Interview: Gaye Suse Kromer

Wenn Sie einen Rundgang mit einem Dortmunder Gast machen würden: Was würden Sie gerne als erstes herzeigen und was sollte dieser vor allem vom Hafen wissen?

Uwe Büscher: Ich würde immer noch zuerst am Alten Hafenamt beginnen. Es ist das Symbol für den Dortmunder Hafen und gleichzeitig wie der Hafen am 11. August 1899 eröffnet worden. Das Hafenamt steht für die Kontinuität. Das Gebäude ist in beiden Weltkriegen nahezu unbeschadet geblieben. Der Hafen hat für Dortmund immer eine ganz wichtige Rolle gespielt, was die Wirtschaft und die Arbeitsplätze angeht. Das ist heute noch genauso wie 1899. Also, ein riesiges Erfolgsmodell. Vor dem Hintergrund der vielen Veränderungen würde ich mit den Besuchern auch durch die Speicherstraße gehen, ihnen Bilder zeigen, wie es vorher ausgesehen hat und wie es in Zukunft aussehen soll. Der Wandel ist atemberaubend. Die Stadt wird näher an den Hafen und der Hafen näher an die Stadt angeschlossen.

Stichwort Aufbruchsstimmung im Hafen: Die Speicherstraße wird zurzeit in großem Umfang umgestaltet. Südlich und nördlich der Straße entstehen Bereiche zum Arbeiten und Ausgehen. Welche Idee steckt hinter der grundlegenden Neugestaltung?

Uwe Büscher: Der Dortmunder Hafen bleibt das, was er immer gewesen ist, nämlich eine funktionsfähige Wirtschaftseinheit und das letzte im Flächennutzungsplan festgesetzte Industriegebiet, in dem man 24 Stunden Gewerbe und Industrie betreiben kann. Aber wir wollen uns den sogenannten Urbanisierungstendenzen im Dortmunder Hafen als Erlebnisraum nicht verschließen. Deshalb wird die Stadt näher an den Hafen und der Hafen näher an die Stadt angeschlossen. Das ist die Idee, die dahinter steckt.

Das Alte Hafenamt steht für Kontinuität
Bild: Stadt Dortmund / Stefanie Kleemann

Welche persönliche Vision vom Hafen schwebt Ihnen vor?

Uwe Büscher: Ohne Visionen, ohne einen Plan für die Zukunft zu haben, braucht man gar nicht anzutreten. Den Plan muss man aber erneuern und aktualisieren. Mein Bild der Zukunft sieht so aus, dass ich in absehbarer Zeit hier mit meinem Enkel durch die Speicherstraße gehe, an einer Eisdiele halte, um ein Eis zu essen und gleichzeitig alle 160 Unternehmen hier im Hafengebiet weiterhin so erfolgreich tätig sein können wie bisher. Wir stehen für eine Versöhnung und Annäherung von Wirtschaft und Urbanität. Das ist das Erfolgsmodell, was wir uns für den Dortmunder Hafen ausgedacht haben. Damit bin ich angetreten. Wir stehen für eine Versöhnung und Annäherung von Wirtschaft und Urbanität. Es gibt noch ein Detail. Wir haben uns nie von Eigentum im Dortmunder Hafen getrennt, d. h. alles blieb im Eigentum der Stadt Dortmund, der Hafen AG oder einer der Tochterunternehmen der Hafen AG. Uns ist klar geworden, dass wir damit zukünftig nicht erfolgreich sein können, deshalb werden wir uns von Eigentum trennen und den Investoren, die hier tätig werden wollen, Eigentum übertragen.

Wie stark schmerzt dieser Entschluss?

Uwe Büscher: Wenn das nicht im unmittelbaren Kernbereich des Dortmunder Hafens ist, wo wir Gewerbe- und Industrieflächen vermieten und verpachten, schmerzt das überhaupt nicht. Das Auslösen von privaten Investitionen ist, meiner Ansicht nach, an der Stelle das Geheimnis des Erfolges. Deshalb war es auch dringend notwendig, diese mutige Entscheidung zu treffen.

Das heißt, wenn wir über die Veränderungen des Hafens sprechen, sprechen wir über die beiden Überschriften „Arbeit“ und „Freizeit“?

Uwe Büscher: Wir sprechen über Arbeit und Freizeit – Wirtschaft im engeren Sinne. Wir haben im Kernbereich 5.000 Arbeitsplätze, in den umliegenden Kreisen und Städten um den Hafen herum sind es noch einmal 2.000 Arbeitsplätze, die eine Affinität zu dem haben, was wir hier tun. Das bleibt am Wichtigsten. Aber die Aufenthaltsqualität, die der Hafen in Zukunft bietet, wird entscheidend anders sein, als heute. Es wird eine Promenade geben, über die man flanieren kann, man kann gezielt Gastronomie anpeilen, wenn man abends ein Bier trinken oder etwas essen möchte. Die Arbeit wird sich dahinhingehend verändern, dass hier Arbeitsplätze in völlig neuen Bereichen, als in der Logistik entstehen. Ich denke zum Beispiel an Medien oder Dienstleistung und den IT-Bereich. Es wird eine Promenade geben, über die man flanieren kann, man kann gezielt Gastronomie anpeilen, wenn man abends ein Bier trinken oder etwas essen möchte.

Sollte es eines geben: Welches Vorurteil hören Sie zum Dortmunder Hafen immer wieder?

Uwe Büscher: Albert Einstein hat mal gesagt, es sei leichter einen Atomkern zu spalten, als ein Vorurteil. Ich beschäftige mich nicht mit Vorurteilen, sondern lasse die normative Kraft des Faktischen wirken, d. h. ich schaffe Fakten, suche Verbündete für unsere Strategie und schaffe etwas Neues. In Dortmund fliegen die Briketts nicht mehr tief, Dortmund ist eine grüne Stadt. Keine andere Stadt im Ruhrgebiet, aber auch im Rest der Bundesrepublik, hat den Strukturwandel seit den 80er Jahren so hervorragend gestaltet – politisch und administrativ – wie Dortmund.

Ich mache intensive Öffentlichkeitsarbeit, um Leute vom Dortmunder Hafen zu begeistern. Das ist oft ohne Kraftanstrengung möglich – sie sind sowieso schon begeistert. Egal, um welche Besuchergruppen es sich handelt: aus dem religiösen Bereich, aus dem gesellschaftlichen Bereich, aus der Stadtverwaltung, Politik, Verbände oder Einzelpersonen. Das was man hier erleben kann, scheint interessant zu sein und wir versuchen es noch interessanter zu machen.

Wir dürfen aber nie vergessen, dass wir hier eine Aufgabe haben, streng nach den Vorgaben unserer Gesellschafter Stadt Dortmund und DSW21. Wir haben einen wirtschaftlichen Hintergrund, den wollen wir auch weiterhin verfolgen. Das ist nämlich der Güterumschlag, der Transport und die Binnenschifffahrt sowie LKW-Verkehr im Dortmunder Hafen. Das werden wir nicht aus den Augen verlieren.

Wie erklären Sie sich die Faszination der Besucherinnen und Besucher für den Dortmunder Hafen?

Uwe Büscher: Ich stelle so etwas wie eine Renaissance der emotionalen Verbindung von Menschen gegenüber dem Bergbau fest. Das berührt mich natürlich als jemand, der im Steinkohlenbergbau seine beruflichen Anfänge hatte. Ich glaube bei denjenigen, die wissen, dass Dortmund einen Hafen hat und die ihn kennen, ist diese Liebe bereits in ihren Kindertagen entstanden. Ich bekomme immer wieder erzählt „Ich bin früher durch den Hafen gelaufen und erinnere mich gut daran, wie wir hier gespielt haben“. Diese emotionale Verbindung ist meiner Ansicht nach ein Bestandteil von vielen Biografien in Dortmund.

Wie passt nostalgische Emotionalität zusammen mit der Hinführung in die Moderne, die der Hafen gerade durchmacht und weiterhin durchmachen wird?

Uwe Büscher: Ein projektorientiertes Beispiel: Wir haben in Zusammenarbeit mit den Dortmunder Stadtwerken vor einigen Jahren ein neues Terminal für den Kombinierten Verkehr in Huckarde gebaut. Das hat die Menschen erheblich überrascht, denn Willy Brandt hat in den 60er Jahren gesagt „Der Himmel über dem Ruhrgebiet soll wieder blau werden“. Und dann kamen plötzlich die Vertreter von DSW21 und der Dortmunder Hafen AG und sagten „Wir wollen genau dort, wo der Himmel blau bleiben sollte, wieder was bauen, was einen industriellen Hintergrund hat“.

Wir haben uns für eine partizipationsorientierte Vorgehensweise entschieden. Wir haben die Kritik, die an dem Projekt von den Betroffenen gekommen ist, miteingebaut. Der demokratische Dialog, der stattgefunden hat, war Bestandteil des Projektes. Ich habe festgestellt, dass nach der Eröffnung des Terminals für den kombinierten Verkehr viele Kritikerinnen und Kritiker zu Beginn, später zu den Müttern und Vätern des Projektes zählten.

Stichwort: Hafendialog – immer erklären, was passiert und die Leute mitnehmen.

Das ist perfekte Partizipation. Diesen demokratischen Dialog mit den betroffenen Menschen wollen wir beibehalten. Stichwort: Hafendialog – immer erklären, was passiert und die Leute mitnehmen. Selbst die scheinbar irrelevantesten Meinungen beachten. Mit den Menschen sprechen – sprechen – sprechen.

Mit betroffenen Menschen meinen Sie die direkten Anwohner des Hafens oder Dortmunderinnen und Dortmunder insgesamt?

Uwe Büscher: Die Motive des Widerstandes sind manchmal sehr unterschiedlich. Ich muss erstmal gucken, was hinter den Ängsten steckt. Sind das Gentrifizierungsängste oder ist es die Angst, von der Entwicklung überrollt zu werden? Oder bedeutet es für denjenigen, der eine Wohnung in Hafennähe hat, dass er in Zukunft keine Miete mehr zahlen kann?

Das muss man sich genau angucken und dann muss man Antworten darauf geben. Gewaltiges wird sich hier tun. Das wird auch Auswirkungen auf Immobilienpreise haben. Keine Frage. Aber der Hafen ist ein Teil der Nordstadt. Ich bin auch Kuratoriumsmitglied des nordwärts-Projektes und werde in der Unternehmensverantwortlichkeit darauf achten, dass es eine Vereinbarkeit zwischen sozialer Situation und Fortschritt in diesem Bereich gibt.

Gewaltiges wird sich hier tun.

Nächstes Jahr gibt es ein Jubiläum zu feiern: 120 Jahre Hafen. Wie wird dieses Jubiläum im Hafen begangen?

Uwe Büscher: Ich spüre eine große Erwartungshaltung in der Stadt, diesen Tag etwas außergewöhnlicher zu feiern, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Die Vorbereitungen laufen schon, der Termin steht auch. Es wird der 31. August 2019 sein. Ich erinnere daran, dass der tatsächliche Geburtstag am 11. August ist. Es wird also eine Nachfeier, aber im gleichen Monat. Das, was wir vorhaben, wird man spüren in der Stadt. Mehr möchte ich dazu nicht verraten. Wer verdirbt anderen schon gerne die Freude auf einen Geburtstag?

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Büscher.

Quelle: Stadt Dortmund

 

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