Objekt des Monats September – Postkarte Dortmund Westfalenhaus

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Unbekannter Fotograf | 1930er Jahre Verlag Edmund Kummer, Hamburg Papier | 10,2 x 14,2 cm
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Am Himmel trommeln Flugzeugpropeller. In den Straßen hupen die Automobile. Swing und Schlager dröhnen aus dem Äther. Lichtreklame zerschneidet die Nacht. – In Dortmund klingt die Großstadt-Sinfonie, deren Rhythmus durch einen Wettstreit um Wirtschaftskraft vorgegeben wird. Die Stadt hat sich durch die Eingemeindungen 1928 und 1929 zu einer Metropole mit einer halben Millionen Einwohner formiert. Mit einer Grundfläche von über 27.000 Hektar ist Dortmund zur zweitgrößten Stadt Preußens geworden, flächenmäßig nur von der Reichshauptstadt Berlin übertroffen.

Seit Mitte der 1920er Jahre erleben die Einwohner Dortmunds einen enormen Bauboom: Moderne Sied- lungs-, Sport- und Bildungsbauten, Büro- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Industrie, Wirtschaft, Handel und Gewerbe, Kirchen und Gemeinschaftsbauten entstehen. Das „Neue Bauen“ ist besonders im Innenstadtbereich gewaltig. Allerorten sind die Umwälzungen zu spüren: Für eine funktionale Innenstadt werden Fachwerkhäuser entfernt und Straßenzüge begradigt. Das Zentrum soll vor allem dem Geschäftsle- ben und weniger dem Wohnen dienen. Die Innenstadt transformiert sich dank der „Turmhäuser“ von Union-Brauerei (1926) und neuem Stadthaus (1928-29) zur City. Zeitungen bejubeln die Amerikanisierung der Stadt. Signifikant für die neue Zeit ist vor allem das Westfalenhaus (1928-29) an Kampstraße/Ecke Hansastraße, ein multifunktionaler Komplex mit Kaufhaus, Kino und Büros. Das zugehörige Hochhaus ist mit elf Geschossen das höchste Bürohaus in Westfalen. Der Kölner Architekt und Immobilien-Unternehmer Jacob Koerfer (1875-1930) hat das imposante Gebäude erbaut, das ab 1930 von der Westfalenhaus Wirt- schaftsbetrieb GmbH betrieben wird. Koerfer ist vor allem auf Büro- und Geschäftshäuser spezialisiert, zu seinen Werken gehören auch das Hansahochhaus in Köln (1924/25) und das Deutschlandhaus in Essen (1928/29). In Dortmund steht ihm Architekt Ernst Sagebiel (1892-1970) zur Seite, der mit dem Flughafen Berlin-Tempelhof noch Architekturgeschichte schreiben wird.

Das Westfalenhaus bietet Büroräume für die Dortmunder Stadtverwaltung. Hier befindet sich auch die DEBEWA, ein Kaufhaus der Deutschen Beamtenversorgungs GmbH mit einem interessanten Sortiment. „Café Wien, Charlott und Cherie – die 3 Herzen in Dortmund“ sprechen zudem ein elegantes und amü- sierfreudiges Publikum an. Das große lichte Café begrüßt mit edler Ausstattung die Gäste im ersten Ober- geschoss: Bodenbelag und Bestuhlung sind rot. Dekorative mit hellem Ahorn verkleidete Säulen und Wän- de lenken die Blicke zur hellblau getönten Decke hinauf. Die Tanzszenen-Intarsien stammen vom Bildhauer Josef Pabst (1879-1950). Die feinen Damen der Gesellschaft sind in einem angrenzenden separaten Salon ganz für sich. Weit turbulenter ist es in der Tanzdiele „Charlott“ und der Bar „Cherie“ im Erdgeschoss. Die Ausstattung ist auch hier sehr nobel. Die große Pabst-Intarsie „Das Weib und der Pfau“ an der Wand sorgt für Aufmerksamkeit.

Neben diesen pulsierenden Räumen zieht vor allem der „Emelka“-Filmpalast viele Besucher an. Er befindet sich nebenan und ist ebenfalls von der Hansastraße zugänglich. Die Kinowelt hat sich erst vor kurzem stark verändert: Mit dem Film „Der Jazzsänger“ (1927) hat sich der Tonfilm gegenüber dem Stummfilm durchgesetzt. Der Filmpalast ist das fünfte Großkino in Dortmund mit einem Fassungsvermögen von nahe- zu 2000 Sitzplätzen. Er gehört zu den schönsten Kinos in Westfalen. Vor der Filmaufführung tauchen Lichtprojektionen zu den Klängen einer Wurlitzer-Orgel den Saal in abwechselndes farbiges Licht. Dies erinnert an die Farblichtmusik des ungarischen-amerikanischen Komponisten Alexander László (1895-1970) und die experimentellen Lichtspiele des Bauhauses. Als die UFA (Universum Film AG) das Filmtheater 1932 übernimmt, wird es in „Capitol“ umbenannt. Es wird – wie der gesamte Gebäudekomplex – im Zweiten Weltkrieg zerstört, in den Nachkriegsjahren aber wieder aufgebaut. Erneut zieht das Capitol viele Besucher an, bis schließlich mit dem heimischen Fernseher eine neue Zeit beginnt, die zu einer Konzentration in der Kinolandschaft führt. Zunächst bespielt ein Boulevard-Theater die Räume, bis der Jazzclub „Domicil“ 2005 das ehemalige Kino übernimmt.

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Ulrike Gärtner

// Zum Weiterlesen:

Acht Stunden sind kein Tag. Freizeit und Vergnügen in Dortmund 1870 bis 1939 Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund 1993

Quelle: Stadt Dortmund

 

 

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