Ein Blick in die Zukunft der „nordwärts“-Kulisse

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Gut 100 Interessierte waren der Einladung zum "nordwärts"-Symposium in die Waschkaue der Kokerei Hansa gefolgt. Bild(Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Dortmund-Agentur / Roland Gorecki 
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Quartiers- und Stadtentwicklung stellt Kommunen, Gesellschaft und Politik vor ständig neue Herausforderungen. Das Zehnjahresprojekt „nordwärts“ nimmt diese gerne an und lud am 22. März zum Zukunftssymposium in die Kokerei Hansa in Dortmund-Huckarde ein.

Gut 100 Interessierte kamen der Einladung nach, um auf der Fachveranstaltung Themen zu diskutieren, wie etwa interkulturelle Konflikte, Bürgerbeteiligung bei schwer erreichbaren Zielgruppen und die Zusammenarbeit mit der Ortspolitik.

Stadtgesellschaft gestaltet mit

Michaela Bonan, Leiterin des „nordwärts“-Teams, begrüßte die Gäste und stellte das Besondere des Projektes heraus, das seit 2015 auf die sozialräumliche Ungleichheit im Dortmunder Stadtgebiet reagiert: Die gesamte Stadtgesellschaft ist bei „nordwärts“ in unterschiedlichen Rollen vertreten und hat die Möglichkeit, sich einzubringen. Eine wichtige Rolle kommt dabei auch dem Kuratorium mit über 90 Mitgliedern zu, die an vielen Einzelprojekten mitwirken, um die Lebensverhältnisse in ganz Dortmund anzugleichen – dialog- und beteiligungsorientiert.

„Im Ergebnis haben sich wichtige Themen und Fragestellungen ergeben“, so Bonan, „wie im Bereich der interkulturellen Konflikte oder der Teilhabe schwer erreichbarer Zielgruppen.“ Das Ziel von „nordwärts“ sei die Harmonisierung der Lebensverhältnisse in der Gesamtstadt, unterstrich Bonan.

Karl Jasper, Schirmherr des „nordwärts“-Symposiums und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, hob hervor, dass die Stiftung bereits seit 25 Jahren im Dortmunder Norden verankert sei: „Es macht Spaß, im Norden zu sein und es gibt viel Engagement der Stiftung. Wir wollten ausdrücklich mit den Akteuren von ’nordwärts‘ zusammenarbeiten.“ Jasper sieht die industrielle Herkunft der Stadt als Anker für deren Zukunft.

Das knapp vierstündige Programm begann mit einer Podiumsdiskussion unter der Moderation von Harriet Ellwein aus dem „nordwärts“-Team und mit Experten zum Thema „Wie sieht das Stadtentwicklungsprojekt der Zukunft aus“.

Quartier und Region

In der ersten Fragerunde ging es um das Thema Quartier und Region. Jasper, der im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW für den Bereich Stadterneuerung und Städtebauförderung zuständig ist und als Mitglied im IBA-Expertenrat sitzt, arbeitete das Alleinstellungsmerkmal des „nordwärts“-Projektes im Vergleich zur klassischen Städtebauförderung heraus: „Mit seinem Angebot an die Bevölkerung sich zu beteiligen, ist ’nordwärts‘ als offenes Konzept gestartet, wie es die klassische Städtebauförderung nicht leisten kann.“

Auch Michael von der Mühlen, Experte in Sachen Stadtplanung und in der Lehre an mehreren Hochschulen tätig, lobte die offenen „nordwärts“-Formate, von denen die Fördergeber lernen sollten, weil man auf diese Weise noch während laufender Prozesse Veränderungen vornehmen könne.

Uta Schneider, Geschäftsführerin der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft, zeigte die verbindenden Elemente zwischen Regional- und Quartiersentwicklung auf: „Man braucht unterschiedliche Sprachen für die einzelnen Zielgruppen und in beiden Formaten braucht es einen Experimentierraum.“ Eine Möglichkeit, diese Forderung umzusetzen, sah Dr. Jan Fritz Rettberg, Leiter des Chief Information/Innovation Office der Stadt Dortmund (CIO), in der Digitalisierung von Beteiligungsprozessen und forderte „hybride Ansätze“: „Wir müssen den Austausch von Mensch zu Mensch genauso ermöglichen, wie die digitale Beteiligung.“ Wie sich das reale Quartier im Verhältnis zur digitalen Nachbarschaft entwickle, das sei die Herausforderung bei der Stadtentwicklung, so Rettberg.

Experten diskutieren: (v.l.) Dr. Jan Fritz Rettberg, Michael von der Mühlen, Harriet Ellwein, Karl Jasper, Uta Schneider
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Dortmund-Agentur / Roland Gorecki

Modelle und Instrumente

Um „Modelle und Instrumente“ drehte sich die Diskussion in der zweiten Fragerunde. Dabei beleuchteten die Diskutanten das Problem der Verödung von Zentren und Nebenzentren durch Online-Handel genauso wie etwa die Frage, ob Digitalisierung kleine Unternehmen und Dienstleister vor Ort stärken kann.

Schneider plädierte für neue Geschäftsmodelle wie Tauschbörsen oder Urban Gardening: „Die Menschen können sich digital verabreden, um sich analog zu treffen. Diese Möglichkeit müssen wir noch weiter ausbauen und entwickeln“, so Schneider.

Rettberg machte sehr deutlich, dass die Digitalisierung tradierte Strukturen bedrohe und viele kleine Unternehmen die Digitalisierung erst einmal für sich entdecken müssten. Aber er machte auch klar, dass die Menschen, den Wunsch haben, lokal einzukaufen. „Deswegen glaube ich, dass hohe Qualität vor Ort auch hochpreisiger angenommen wird, wenn das Gesamtbild stimmt.“

Mitdenken und mitmischen: Neben dem fachlichen Austausch konnten auch neue Ideen für die „nordwärts“-Projektarbeit entwickelt werden.
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Dortmund-Agentur / Roland Gorecki

Beteiligung

In der letzten Runde der Diskussion widmeten sich die Experten der Frage der bürgerschaftlichen Beteiligung. Rettberg zeigte die Vorteile digitaler Beteiligungsprozesse auf, besonders im Hinblick auf eine zielgruppenspezifische Ansprache. So könnten beispielsweise Migranten besser erreicht werden durch die Möglichkeiten z.B. mehrsprachiger Apps, mit deren Hilfe auch kulturelle Unterschiede leichter zu berücksichtigen seien.

Von der Mühlen wies auf die wichtige Rolle der Kommune in diesem Zusammenhang hin: „Die Stadt muss die Stellschrauben in der Hand behalten.“ So solle die Stadt eine tolerante Haltung entwickeln, um so vor Ort im Quartier klar zu machen, wie Vielfalt ohne Stigmatisierung gelebt werden kann.

Im Anschluss an die Diskussion stand wie immer bei „nordwärts“ für alle Teilnehmenden das „Mitdenken“ und „Mitmischen“ im Vordergrund: Neben dem fachlichen Austausch konnten auch neue Ideen für die „nordwärts“-Projektarbeit entwickelt werden.

Auf einer Projekt- und Ideenbörse wurden zusammen mit Fachleuten neue Anregungen gesammelt. Drei Workshops zu den Herausforderungen bei der Umsetzung von „nordwärts“-Teilprojekten rundeten das Programm ab.

Michaela Bonan bedankte sich bei allen Beteiligten und ihrem Team, denn „nordwärts“ sei „ein Ausnahmezustand auf Zeit“ – wie Jasper es an anderer Stelle formuliert hatte. „Wir brauchen eine Allianz der Willigen und müssen uns mehr in Richtung Verantwortungsgesellschaft bewegen“, resümierte Bonan. „Es bringt uns weiter, wenn wir das Engagement der Menschen würdigen. Ohne das kann weder ’nordwärts‘ noch die Stadtgesellschaft funktionieren.“

Quelle: Stadt Dortmund

 

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